Krieg
kaf-feh-trin-ken | 11. September 2007 | 12:53Eine klasse Stelle aus dem Buch Zeitdieb, was ich momentan lese. Naja lesen ist übertrieben, ich komme da nur ab und zu vorwärts, weil ich zur Zeit eher selten „daheim“ bin. Aber gestern hab ich mal wieder Zeit gefunden und bin auch gleich über eine Stelle gestolpert, die mich zum schmunzeln gebracht hat. Gut, das ist bei einem Terry Pratchett Buch normalerweise dauernd der Fall, aber diese Stelle mag ich besonders. Zur Erklärung vorab, TOD versucht gerade die 4 Apokalyptischen Reiter zu versammeln. Bei HUNGER und PESTILENZ ist er gescheitert, sie zu überzeugen, dass sie Reiten müssen. Der Erstere ist depressiv, weil alle genug zu Essen haben und nur noch in den seltensten Fällen mal einer Hunger leidet, und dazu kommt noch, dass er (trotz Unsterblichkeit) Angst vorm Kämpfen hat. Der Letztere ist ebenfalls depressiv und nicht zu Überzeugen zu Reiten, da doch keiner mehr wirklich Respekt vor ihm hätte. Früher war alles besser… :-) Jedenfalls ist TOD nun beim letzten der 4 Reiter… bei KRIEG.
Der Krieg lief schlecht für die schwächere Seite. Sie hatte die falschen Positionen bezogen, ging mit einer uneinheitlichen Taktik und einer hoffnungslosen Strategie vor. Die rote Armee setzte sich an der ganzen Front durch und versprengte die Reste des gegnerischen Heeres.
Auf diesem Rasen gab es nur Platz für einen Ameisenhaufen…
Tod fand Krieg zwischen den Grashalmen. Er schätzte dessen Aufmerksamkeit für das Detail. Krieg trug seine volle Rüstung, doch die menschlichen Schädel, die er normalerweise am Sattel festgebunden hatte, waren durch Ameisenköpfe und Fühler ersetzt worden.
GLAUBST DU, DASS SIE ETWAS BEMERKEN?, fragte Tod.
„Ich bezweifle es“, erwiderte Krieg.
WIE DEM AUCH SEI: WENN SIE IN DER LAGE WÄREN, ETWAS ZU BEMERKEN, WÜSSTEN SIE ES BESTIMMT ZU SCHÄTZEN.
„Ha! Heutzutage gibt es nur noch einen anständigen Kriegsschauplatz“, meinte Krieg. „Das gefällt mir so an Ameisen. Die Burschen lernen einfach nicht“.
IN LETZTER ZEIT IST ES TATSÄCHLICH RECHT FRIEDLICH GEWESEN, sagte Tod.
„Friedlich?“, wiederholte Krieg. „Ha! Ich könnte genauso gut meinen Namen ändern. Wie wär´s mit ‚Polizeiaktion‘ oder ‚Gütliche Einigung‘? Erinnerst du dich an damals? Kriegern stand Schaum vorm Mund! Arme und Beine flogen in alle Richtungen! Eine großartige Zeit.“ Er beugte sich vor und klopfte Tod auf den Rücken. „Ich hab sie dir geliefert, und du hast sie fortgebracht, weißt du noch?“
Das klang vielversprechend, fand Tod.
DA WIR GERADE VON DER GUTEN ALTEN ZEIT SPRECHEN… SAGTE ER. Du erinnerst dich doch bestimmt an unsere Tradition des Reitens.
Krieg warf ihm einen verwirrten Blick zu. „Ich schätze, da komme ich nciht ganz mit, alter Knabe.“
ICH HABE DEN RUF GESCHICKT.
„Ich fürchte, ich muss noch immer passen…“
DIE APOKALYPSE, sagte Tod. DAS ENDE DER WELT.
Krieg schien noch immer nicht zu verstehen. „Ich hör´s klopfen, aber es ist niemand zu Hause. Und da wir bei Zuhause sind…“ Krieg ließ den Blick über die Ergebnisse des jüngsten Gemetzels schweifen. „Was hälst du vom Mittagessen?“
Der Graswald um sie herum schrumpfte immer mehr, bis er nur noch aus Gras bestand und zum Rasen vor einem Haus wurde.
Es war ein altes Langhaus. Wo sonst sollte Krieg wohnen? Aber Tod bemerkte, das Efeu über das Dach wuchs. Früher hätte Krieg so etwas nicht zugelassen, und ein kleiner Wurm der Sorge begann in ihm zu nagen.
Krieg trat ein und hängte seinen Helm an einen Haken – früher hätte er sich nicht von ihm getrennt. Und auf den Bänken an der Feuerstelle hätten viele Krieger gesessen, und der Geruch von Schweiß und Bier hätte in der Luft gelegen.
„Ich habe einen alten Freund mitgebracht, Schatz“, sagte er.
Frau Krieg bereitete eine Mahlzeit zu, auf einem modernen schwarzen Herd, der dort stand, wo sich früher die Feuerstelle befunden hatte. Glänzende Rohre reichten zu einer Öffnung im Dach empor. Frau Krieg nickte Tod zu wie eine Ehefrau, die ihren Mann davor gewarnt hat, jemanden aus der Kneipe mitzubringen.
„Es gibt Kaninchen“, sagte sie. „Ich bin sicher, dass es auch für drei reicht“, fügte sie in einem Tonfall hinzu, der darauf hinwies, dass sie verärgert war und es später jemandem heimzahlen würde.
Kriegs großes, rotes Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. „Mag ich Kaninchen?“
„Ja, Schatz“
„Ich dachte, ich mag Rindfleisch.“
„Nein, Schatz. Von Rindfleisch bekommst du Blähungen.“
„Oh.“ Krieg seufzte. „Wie stehen die Aussichten auf Zwiebeln?“
„Du magst keine Zwiebeln, Schatz.“
„Tatsächlich nicht?“
„Wegen deines Magens, Schatz.“
„Oh.“
Krieg sah Tod an und lächelte schief. „Es gibt Kaninchen“, sagte er. „Äh… Reite ich bei Apokalypsen, Schatz?“
Frau Krieg hob den Deckel eines Topfes und stach mit Nachdruck auf etwas ein, das darin kochte.
„Nein, Schatz“, sagte sie mit fester Stimme. „Du kehrst immer mit einer Erkältung zurück.“
„Ich dachte, äh, früher hätte ich Gefallen an solchen Dingen gefunden…?“
„Nein, Schatz. Da irrst du dich.“
Tod spürte, wie seine Faszination wuchs. Er begegnete zum ersten Mal dem Phänomen, dass jemand seine Erinnerung außerhalb des eigenen Kopfes aufbewahrte.
„Möchte ich vielleicht ein Bier?“, fagte Krieg behutsam.
„Du magst kein Bier, Schatz“
„Nein?“
„Nein. Es beschert dir dein Problem.“
„Ah. Äh, was halte ich von Brandy?“
„Du magst keinen Brandy, Schatz. Du magst dein spezielles Hafergetränk mit Vitaminen.“
„Oh, ja“, sagte Krieg kummervoll. „Ich hatte ganz vergessen, dass ich das mag.“ Er sah Tod verlegen an. „Es ist ganz nett.“
KANN ICH DICH UNTER VIER AUGEN SPRECHEN?, fragte Tod.
Krieg wirkte verwirrt. „Mag ich es, mit dir…“, begann er.
UNTER VIER AUGEN, wiederholte Tod laut.
Frau Krieg drehte sich um und bedachte Tod mit einem verächtlichen Blick.
„Ich verstehe, o ja, ich verstehe„, sagte sie hochmütig. „Aber ich warne dich: Sag ihm bloß nichts, das ihm auf dem Magen schlägt.“
Frau Krieg war einst eine Walküre gewesen, erinnerte sich Tod. Ein weiterer Grund, warum man auf dem Schlachtfeld sehr vorsichtig sein sollte.
Hast du nie daran gedacht, mal zu heiraten, alter Knabe?“, fragte Krieg, als Frau Krieg gegangen war.
NEIN. ABSOLUT NIE.
„Warum nicht?“
Tod war verblüfft. Genauso gut konnte man eine Mauer aus Backsteinen fragen, was sie vom Schicksal hielt. Die Frage ergab einfach keinen Sinn.
ICH BIN BEI DEN ANDEREN BEIDEN GEWESEN, sagte Tod. DER EINE FÜRCHTET SICH UND DER ANDERE SCHERT SICH NICHT DARUM.
„Wir beide gegen die Revisoren?“, fragte Krieg.
DAS RECHT IST AUF UNSERER SEITE.
„Wenn ich als Krieg sprechen soll…“, sagte Krieg. „Ich weise dich nur ungern darauf hin, was mit sehr kleinen Armeen geschieht, die das Recht auf ihrer Seite haben.“
ICH HABE DICH KÄMPFEN SEHEN.
„Mein rechter Arm ist nicht mehr das, was er einmal war…“, murmelte Krieg.
DU BIST UNSTERBLICH, sagte Tod. DU KANNST NICHT ALTERN UND GEBRECHLICH WERDEN. Aber er bemerkte den besorgten und auch ein wenig gehetzten Ausdruck in Kriegs Gesicht und erkannte, dass diese Sache nur auf eine Weise enden konnte.
Mensch zu sein bedeutete, sich zu verändern, begriff Tod. Die Reiter der Apokalypse… Menschen hatten sie geschaffen und ihnen eine bestimmte Gestalt gegeben.
Und es wiederholte ich, was bereits bei den Göttern, der Zahnfee und dem Schneevater geschehen war: Durch ihre Gestalt veränderten sie sich. Sie konnten nie ganz zu Menschen werden, aber sie übernahmen Aspekte der menschlichen Natur, als hätten sie sich damit angesteckt.
Denn, und diesem Punkt kam zentrale Bedeutung zu: Nichts hatte nur einen einzigen Aspekt. Menschen stellten sich ein Wesen namens Hunger vor, aber wenn sie ihm Arme, Beine und Augen gaben, so musste es auch ein Gehirn bekommen. Mit dem es dachte Und ein Gehirn kann nicht dauernd an Seuchen und Heuschrecken denken.
Dinge entwickeln sich. Immer wieder gibt es Komplikationen. Der Wandel war allgegenwärtig.
ZUM GLÜCK HABE ICH MICHT NICHT VERÄNDERT UND BIN IMMER DER GLEICHE GEBLIEBEN, dachte Tod.
Und dann war es nur noch einer.


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TagsApokalypse, hunger, krieg, Pestilenz, Reiter, scheibenwelt, terry pratchett, tod, Zeitdieb
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